„Grüne Hauptstadt“, „Fußgängerstadt“ und „lebenswerteste Stadt der Welt“ sind nur ein paar Titel die Kopenhagen sammeln konnte, doch sie verdeutlichen das Vorhaben der Hauptstadt Dänemarks bis 2025 die erste klimaneutrale Metropole zu werden.

613.000 Menschen leben in der Kommune Kopenhagen und damit fast jeder neunte Däne. Im Ballungsraum sind es sogar 1,3 Millionen Einwohner. Somit stellt Kopenhagen das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Dänemarks dar und seine Strahlkraft geht weit über die Landesgrenzen hinaus. Das Stadtgebiet verteilt sich auf mehrere Inseln an der Ostküste Dänemarks und ist durch die Meerenge Öresund von Südschweden und der Großstadt Malmö getrennt. Seit der Eröffnung der Öresundbrücke im Jahr 2000, welche die Stadt bequem per Zug und Auto mit Malmö verbindet, wachsen die beiden Städte mehr und mehr zur transnationalen Metropolregion Öresund zusammen. Die Region boomt, Wohnraum wird knapp und teuer und neue Geschäftsfelder lassen die Wirtschaft florieren. Das stellt hohe Anforderungen an die Stadtplanung Kopenhagens und dennoch (oder gerade deswegen) hat man sich das ambitionierte Ziel gesetzt bis 2025 klimaneutral zu werden. Von 2.500.000 t CO2 in 2005 möchte man die jährliche Emission auf 1.150.000 t senken. Der restliche Ausstoß an Treibhausgasen muss kompensiert werden.

Geschichte der Stadtplanung

Stadtplanung in Kopenhagen hat Geschichte. Die Stadt ist durch Phasen rasanten Wachstums, Katastrophen, Seuchen und Kriege stetig im Wandel. Obwohl im 12. Jahrhundert gegründet, stammt der historische Stadtkern überwiegend aus dem 18. Jh.. Bereits um 1850 macht der massive Zuzug eine geordnete Stadtplanung notwendig, um die Zersiedelung des Umlandes in geregelte Bahnen zu lenken. Die Stadtmauern wurden geschleift und vielerorts in Parks umgewandelt, so entsteht auch der berühmte Freizeitpark Tivoli. Außerhalb der ursprünglichen Grenzen entstehen zahlreiche Siedlungen, die heute organisch mit der Kernstadt verwachsen sind. Beispielhaft dafür ist die eigenständige Enklave Frederiksberg mit ihren vielen Grünflächen und großzügigen Parks.

Zwar übersteht Kopenhagen die Weltkriege nahezu schadlos, doch macht die zunehmende Urbanisierung der Nachkriegszeit einen neuen Stadtentwicklungsplan notwendig. In den 1950er Jahren entsteht der „Fingerplanen“. Entlang der Hauptverkehrsachsen soll sich das städtische Wachstum konzentrieren, die sich wie Finger ins Umland erstrecken. Zwischen ihnen reichen unbebautes Land und Naherholungsgebiete bis ans Stadtzentrum heran. Dieser Plan ist zwar nur ideell umgesetzt worden, dennoch gilt er als wegweisend.

Stadtplanung auf Dänisch

Wenn man an die heutige Stadtplanung Kopenhagens denkt, dann ist damit auch der Name Jan Gehl verbunden. Der dänische Architekt und Stadtplaner lehrt an Universitäten rund um den Globus und forscht auf dem Gebiet der Verbesserung der Lebensqualität von Städten. Um die Lebensqualität einer Stadt zu identifizieren solle man schauen „wie viele Kinder und alte Menschen auf Straßen und Plätzen unterwegs sind“, sagt Jan Gehl. Im Fokus seiner Arbeit liegt der Mensch – nicht die Architektur, Fußgänger und Radfahrer – nicht motorisierter Verkehr. Sie ist Grundlage für die Stadtplanung der Kopenhagener Innenstadt.

Angefangen hat es mit der Reduzierung von Parkplätzen. Behutsam, in kleinen Schritten jährlich. Die langsam freiwerdenden Flächen können nun anders genutzt werden. Sie werden zu öffentlichen Plätzen des Lebens, sie können begrünt werden, auf ihnen können Kinder spielen, ältere Menschen ausruhen oder man trifft sich zum Kaffee. Weiter geht es mit der Schaffung von Fußgängerzonen. Wo früher eine breite Straße, gesäumt von Parkplätzen, die Altstadt zerschnitt, befindet sich nun Europas längste Fußgängerzone, der Strøget. Kaum eine Stadt besitzt so viele Fußgängerzonen und öffentliche Plätze wie Kopenhagen. Nach und nach setzt ein Prozess der Entschleunigung ein, die Distanzen verändern sich, auch der Menschen zueinander und zu ihrer Stadt. Alles rückt enger zusammen. In vielen Bereichen ist man nicht mehr auf PKW angewiesen. An ihre Stelle rücken Fußgänger, Fahrradfahrer und der öffentliche Personennahverkehr.

Bis 2025 sollen 75 % der Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad öder öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden.

Verkehrsplanung – Copenhagenize

Kopenhagen ist eine der fahrradfreundlichsten Großstädte der Welt, gewann diesen Titel sogar wiederholt. 2017 sind 41 % der Fahrten zur Arbeit von/nach Kopenhagen per Fahrrad zurückgelegt worden. Innerhalb der Stadt nutzen 62 % der Einwohner das Rad zum Pendeln. Zum Vergleich: In Deutschland pendeln 71 % mit dem Auto. Die City wird sogar häufiger von Fahrrädern durchquert als von PKW. Kopenhagen investiert viel Geld in den Ausbau seines Radwegesystems. Investitionen, die sich rentieren: Jeder per Fahrrad zurückgelegte Kilometer bringt der Gesellschaft einen Nettogewinn von ca. 0,16 € ein, während jeder mit dem Auto zurückgelegte Kilometer die Gesellschaft ca. 0,09 € kostet. In diese Berechnung fließen z.B. öffentliche Ausgaben oder Ersparnisse im Gesundheitssystem, Infrastrukturausgaben, aber auch privatwirtschaftliche Vorteile ein. Es ist sogar möglich sein Fahrrad kostenlos in der S-Bahn mitzunehmen, weshalb eigens dafür angeschaffte Fahrradabteile in der Mitte der Züge zur Verfügung gestellt werden, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Die neuesten Maßnahmen von 20 Kommunen der Hauptstadtregion sehen die Schaffung von 500 km Radschnellwegen vor, um mehr Pendler aus umliegenden Gemeinden dazu zu bewegen das Fahrrad zu nutzen, ihr Anteil soll auf 30 % steigen. Kopenhagens Bemühungen um den Radverkehr sind vorbildhaft. Im englischen Sprachraum bedeutet „to copenhagenize“ eine Stadt fahrradfreundlich zu gestalten.

Auch Kopenhagens öffentlicher Personennahverkehr wird kontinuierlich erweitert. Seit den 1930er Jahren existiert ein elektrifiziertes S-Bahnnetz, welches das Umland mit der Innenstadt Kopenhagens verbindet. Es umfasst 170 km auf denen sieben Linien verkehren. Zuletzt wurde 2005 eine neue Ringbahn fertiggestellt. Um die Innenstadt selbst mit einem Schienenverkehrssystem zu erschließen und den neu gegründeten Stadtteil Ørestad anzubinden, startet man 1996 mit dem Bau einer Metro. Die Metro ist als Mischung aus U-Bahn- und Hochbahn autark vom Straßenverkehr und fährt automatisch und führerlos in einem Zwei- bis Vier-Minutentakt. Die letzte Ausbaustufe, welche 2024 fertiggestellt wird, erweitert das Netz um eine vierte Linie, eine City-Ringlinie mit 17 Stationen. Insgesamt transportieren S-Bahn und Metro zusammen über 500.000 Passagiere täglich. Es wird erwartet, dass sich das Fahrgastaufkommen bis 2030 verdreifacht.

Zukünftige Energieversorgung

Klimaneutrale Wege geht Kopenhagen auch bei der Energiegewinnung und -einsparung. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Fernwärme- und Fernkälte-Infrastruktur. Die Stadt wird durch ein Netzwerk versorgt, welches Stromerzeugung mit Fernwärme, Fernkälte und Müllverbrennung verbindet. 90 % der Einwohner sind an das Netz angeschlossen. Die Heizkraftwerke nutzen dabei fossile, aber auch biogene Brennstoffe oder auch Müll, um günstige und effiziente Energie, sowie Fernwärme herzustellen. Über das gleiche Netzwerk kann die Stadt aber auch mit Fernkälte beliefert werden. Zwar sind die Temperaturen in Dänemark auch im Hochsommer recht mild, doch benötigen z. B. Server, Geschäfte, öffentliche Gebäude oder Büros ausreichende Kühlung. Ein Kältekraftwerk nutzt hier kühles Meerwasser zur Vorkühlung der Kältemaschinen. Dabei spart jedes Grad Temperatur, dass durch die Vorkühlung mit Meerwasser erreicht wird, nochmals 15 % Energie ein.

Gegenüber konventioneller Klimaanlagen spart man auf diese Weise sogar bis zu 80 % CO2 ein.

Weiteres Einsparpotential verspricht die weitere Umstellung der Kraftwerke von fossilen auf biogene Brennstoffe, sowie der Ausbau von Windkraftanlagen und Geothermiekraftwerken. Der Klimaplan sieht vor das gesamte Wärme-/Kälte-Netzwerk bis 2025 klimaneutral zu betreiben.

Grün in die Stadt

Kopenhagen ist geprägt von seinen zahlreichen kleinen und großen Parks. Dänemarks ältester Park ist der Königsgarten, der bereits 1606 als Privatgarten für König Christian IV. angelegt wurde. Die alte Festungsanlage Kastellet ist in eine beliebte Parkanlage umgewandelt worden, welche die historischen Gebäude mit der Natur verbindet. Fælledparken ist mit 54 ha einer der größten Parks Kopenhagens, er entstand ab 1906 nach Planung des Landschaftsarchitekten Edvard Glæsel. Und weitere sollen entstehen: Eine Verordnung sieht vor, dass jeder Kopenhagener einen Park oder Strand zu Fuß innerhalb von 15 Minuten erreichen können muss. Dies bietet Vorteile für Bewohner und Umwelt. So sollen zusätzliche 5000 t CO2 jährlich kompensiert und die Stadt auf Klimaveränderungen eingestellt werden. Zusätzliche Neupflanzungen kann die Stadt an heißen Tagen abkühlen und nimmt Niederschläge an Regentagen auf. So ist beispielsweise Superkilen
entstanden – eine drei Hektar große, modern gestaltete Anlage, die für kulturelle Vielfalt steht, viele Objekte aus aller Welt beheimatet und unterschiedliche Nutzungskonzepte miteinander verbindet. In ihren unterschiedlichen Bereichen ist Platz für Kreativität, Entspannung, Sport, Spiel und Begegnung.

Kopenhagens Klimapolitik in der Kritik

Doch Kopenhagens Klimapolitik hat auch kritisch zu betrachtende Seiten. Die Schaffung von Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereichen in der City führt zu einer zunehmenden Verteuerung des Wohnraums. Sozial Benachteiligte und Geringverdiener leiden unter der Gentrifizierung. Sie können sich die aufgerufenen Mieten nicht leisten. Ihnen droht die Verdrängung in Randgebiete und soziale Brennpunkte. Die hohen Lebenshaltungskosten machen Kopenhagen zu einer der zehn teuersten Städte der Welt.

Die umweltfreundlichere Verkehrspolitik sorgt aber auch für neue Probleme: Besonders Menschen, die auf das Auto angewiesen sind, fühlen sich benachteiligt: Es stehen nur wenige und teure Parkplätze zur Verfügung, deren Kosten auf die Fahrzeughalter umgelegt werden. Die fortschreitende Umwandlung von Straßen in Fußgängerzonen macht Wohnungen für sie schwerer zugänglich. Im großen Kontext werden die Verkehrsprobleme auf das Umland abgewälzt. Anders als in der Stadt, staut es sich nun In der Region. So manche Gemeinde wird als Parkplatz Kopenhagens missbraucht und an Bahnhöfen sind Stellflächen überlastet. Hat man doch noch einen Parkplatz gefunden, ist nicht sichergestellt, dass man auch einen Platz in den überfüllten Zügen bekommt. Die Dänischen Staatsbahnen leiden unter einem jahrzehntelangen Investitionsstau. Mehr Züge und eine höhere Taktung wären notwendig, doch die Infrastruktur gibt das nicht her – ähnlich wie in dt. Ballungsräumen.

Ein ganz neues Phänomen: an Verkehrsknotenpunkten der Stadt bilden sich mittlerweile Staus durch Radfahrer, sodass der Vorteil der Zeitersparnis gegenüber dem PKW nicht mehr überall gilt. Und trotz Bemühungen bietet die Stadt zu wenig Abstellmöglichkeiten für Fahrräder an.

Das CO2-Einsparpotential bezifferte Kopenhagen 2009 auf 1,4 Mio. Tonnen. Dabei weist der Plan eine Lücke von 1,1 Mio. Tonnen zur absoluten Klimaneutralität auf, bei der man auf neue Technologien und Gesetzgebungen hofft. Außerdem verlässt man sich auf die schnelle Durchsetzung der erneuerbaren Energien und Elektromobilität. Sollte das misslingen, hat man ein Hintertürchen aufgelassen und möchte das lediglich mit dem Zukauf von Emissionsrechten ausgleichen.

Ausblick: bis 2025 klimaneutral

Das Ziel bis 2025 eine ausgeglichene Klimabilanz aufweisen zu können ist sehr ambitioniert. Doch auch wenn die selbstauferlegten Klimaziele verfehlt werden, der Ausstoß von CO2 nicht auf Null gesenkt werden kann, hat Kopenhagens Klimaplan Vorbildcharakter, er nimmt eine Vorreiterrolle in der kommunalen Klimapolitik ein.

Bildquellen

  • Blog_Copenhagen-Panorama: Pixels
2 Comments
  1. Avatar

    Sehr gehrte Damen und Herren,
    ein tolles Projekt. Ich habe aber eine Frage dazu. Beschrieben ist, dass durch das Projekt,die Autos vom Zentrum in die Peripherie verschoben werden: z.B. Parkplätze. Grundsätzlich ist das nicht negativ zu bewerten, es ist im Gegenteil zu begrüßen. Die Frage ist aber, wie wirkt sich dies auf die Klimabilanz der Stadt aus. Liegen diese Bereiche auch innerhalb des Projektgebietes, für das die Klimaneutralität berechnet wird? Denn nur dann kann von einer Klimaneutralität der Stadt sprechen. Fahren z.B. Autos entlang der peripheren Zonen von einem Statdtteil den anderen, und werden diese Fahrten in der Klimabilanz nicht gerechnet, dann wäre die Berechnung der Klimabilanz nicht korrekt. Außerhalb der in Googlemaps gezogenen Stadtgrenzen verlaufen um die Stadt herum Autobahnen. Gehören diese noch zu der Fläche, für die die Klimaneutralität berechnet wird?
    Mit freundlichen Grüßen.

    1. Christopher Korsch

      Das sind gute Fragen Herr Scherer, die mich auch nochmal das Projekt hinterfragen ließen, vielen Dank!
      Grundsätzlich ist zu bedenken, dass es eine absolute Klimaneutralität wohl auf absehbare Zeit nicht geben kann. Menschen brauchen und verbrauchen Energie und Energiegewinnung erzeugt mindestens indirekt Emissionen. Emissionen können zwar reduziert und von Ballungsgebieten weggelenkt werden, sie verschwinden aber nicht gänzlich. In Kopenhagen wird viel dafür unternommen Energie einzusparen und möglichst klimafreundliche Energieträger zu verwenden. Das gleiche gilt auch für den Verkehr. Dieser wird in den Randgebieten Kopenhagens dadurch zunehmen und das Problem verschieben. Grundsätzlich sind Verwaltungseinheiten in Dänemark anders zu verstehen, als wir das in Deutschland gewohnt sind. Das, was wir als Kopenhagen bezeichnen ist keine “zusammenhängende Stadt”, sondern eher ein Zusammenschluss mehrerer Gemeinden, von der die Gemeinde Kopenhagen nur ein Teil ist. Größere, wie wir es nennen würden, Stadtteile Kopenhagens sind z. T. eigenständige Gemeinden. Dafür gibt es die Region “Hovedstadsområdet”, übersetzt Hauptstadtgebiet, in etwa vergleichbar mit einer zusammenhängenden Metropolregion oder einem Bundesland, wie Berlin, Bremen oder Hamburg. Die Peripherie und damit auch die Autobahnen Kopenhagens liegen also größtenteils nicht innerhalb der Gemeindegrenzen, sondern in “Hovedstadsområdet”. Die genauen Grenzen des Projektgebiets umfassen mindestens mehrere Gemeinden der Region, ob allerdings die gesamte Region als solche gezählt wird, kann ich Ihnen leider nicht mit Sicherheit beantworten. Es bleibt zudem auch eine Frage der Berechnungsformel. Abschließend kann ich Ihnen also nur antworten, dass das Versprechen der Klimaneutralität mehr als Wunsch oder, wenn man gemein sein möchte, Marketing anzusehen ist. Die Bemühungen finde ich dennoch weiterhin lobenswert und vorbildhaft. Und meiner persönlichen Meinung nach, müssten auch deutsche Großstädte den Mut haben, größer zu denken, was die Themen Klimaschutz und Verkehr angehen.
      Ich hoffe, ich konnte wenigstens etwas Licht ins Dunkel bringen.
      Viele Grüße
      Christopher Korsch

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